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Dörfer mit dem Stempel "wertvoll"

Die kommunale Selbstverwaltung in den Dörfern und Kommunen funktioniert und ist von Nutzen – nicht zuletzt, weil sie die Grundregeln der repräsentativen Demokratie im überschaubaren Verhältnis einübt.

Von Hermann Kroll-Schlüter

Kürzlich hat der bekannte Dorfforscher Prof. Dr. Gerhard Henkel ausgeführt, dass „das Dorf“ in den zurückliegenden Jahrzehnten entwertet worden sei. Dörfer hätten den Stempel „wertlos“ erhalten. Die kommunale Neuordnung der 1970er Jahre hätten „die Kompetenz und Kraft der dörflichen Selbstverwaltung zerstört“, stellte Henkel fest. Schulen, Kirchen, Banken hätten sich seither aus den Dörfern zurückgezogen. Er appellierte an „die Entscheider in Staat und Gesellschaft, ihre dorf- und demokratiefeindlichen Reformen zurückzubauen“.

Ich möchte dieser Sicht auf die ländliche Entwicklung widersprechen. Es ist nicht richtig, dass „das Dorf“ von den „Entscheidern“ zerstört worden ist, wie Henkel feststellt.

Vielmehr ist die kommunale Selbstverwaltung ein unverzichtbarer Bestandteil des politischen und verfassungsrechtlichen Ordnungssystems der Bundesrepublik Deutschland. Sie gewährleistet ein in Stufen gegliedertes demokratisches Gemeinwesen. Sie stellt wie der Föderalismus eine Ergänzung des Gewaltenteilungsprinzips dar.

Durch die kommunale Selbstverwaltung

  • wird die Basis für ein politisches Engagement verbreitert,
  • werden die Bürger an der Erfüllung örtlicher Aufgaben beteiligt,
  • wird die problemnahe und bürgerfreundliche Lösung von Verwaltungsaufgaben ermöglicht.

Für die allgemeine Politik ist die kommunale Selbstverwaltung von Nutzen, weil sie die Grundregeln der repräsentativen Demokratie im überschaubaren Verhältnis einübt, die offene, konkurrierende Willensbildung der Bürger verbreitert und intensiviert.

Zuständigkeiten des Dorfes wurden schon vor der kommunalen Neuordnung der 1970er Jahre in größere Einheiten überführt, zum Beispiel in Zweckverbände – Abwasserzweckverband, Schulzweckverband etc. Und immer schon war das Dorf auf einen größeren Partner angewiesen, der dann auch mitbestimmen wollte, zum Beispiel in der Amtsverfassung. Weniger Schulen, weniger Ortskirche, weniger Bankgeschäfte haben ihre Ursachen nicht in der Gebietsreform der 1970er-Jahre, wie Gerhard Henkel beklagt, sondern ihre Ursache liegt in den Wandlungen der Gesellschaft, der Demographie und in der Entwicklung der modernen Technik, gerade auch der Digitalisierung.

Die neue Gemeinde mit ihren Ortsteilen kann darauf besser antworten als das Dorf des vergangenen Jahrhunderts, das Großes geleistet hat. Die heutigen Gemeinden können darauf nicht nur mit einer wirksamen technischen Infrastruktur antworten, sondern mit der Bereitschaft, Neues zu wagen. Auch die Selbstverwaltung ist stärker und zugänglicher geworden, örtliche Verantwortung ist nach wie vor möglich und wirksam.

Das Engagement der Ortsvorsteherin, des Heimatpflegers, des Heimat- und Kulturvereins, des Gemeindevertreters und der sachkundigen Bürgerinnen und Bürger mit Sitz und Stimme im zuständigen Gemeindeausschuss, unterstützt von der dörflichen Gemeinschaft und der Bereitschaft und Möglichkeit zum bürgerschaftlichen Engagement, begleitet und gefördert vom Bürgermeister und seiner leistungsfähigen Gemeindeverwaltung, die begriffen haben, was Einheit in Vielfalt bedeutet – sie alle bekommen den Stempel: wertvoll.

Und bekommen müssen sie mehr Freiheit. Wenn Bundesregierungen, Bundesländer und EU in den vergangenen Jahren einen Mangel vor Ort fanden, den sie beheben wollten, haben sie Förderprogramme gestartet – und zwar viel zu viele mit furchtbar viel Bürokratie. Wenn eines die kommunale Selbstverwaltung nicht gut vertragen kann, dann dies.

Die Kommunen, die so wertvoll sind und auf die Europa und Deutschland angewiesen sind, brauchen stattdessen mehr Freiheit, das heißt vor allem: eine bessere finanzielle Grundausstattung, um noch direkter selbst zu gestalten und eigenverantwortlich handeln zu können.

Hermann Kroll-Schlüter war Bürgermeister in Belecke und Warstein, Bundestagsabgeordneter und Staatssekretär in Sachsen. Er ist heute aktiv im Europäischen Forum (mit dem Ziel: Europa braucht mehr Subsidiarität, Regionalität und Soziale Marktwirtschaft)

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